Interview mit Peter Hofmann, Giessen, 2004

Peter Hoffmann, Galerist aus Gießen in einem Interview

mit Johannes Kriesche, Juni 2004

 

Peter Hoffmann: Seit wann bist Du künstlerisch tätig?

Johannes Kriesche: Intensiv seit dem Studium der Malerei 1981-1987 in Bielefeld bei Prof.Inge Dörries Höher. Seit dieser Zeit habe ich ständig Ausstellungen gemacht. In diesem Studium sind wir Studenten in der Malklasse sehr stark mit der italienischen Renaissance berührt worden, was glaube ich meinen Glauben an die Malerei sehr positiv beeinflusst hat. Seit 1988 habe ich ein eigenes Atelier und gehe den Bildern nach.

 

Womit hast Du angefangen?

Mit Bildern über das Thema "Wasser" in Öl und Acryl, mit Sanduntergründen und Lasur-Techniken.

 

Warum hast Du angefangen? Was ist Dein Antrieb, Kunst zu machen?

Ich glaube, es gibt einen inneren Drang, den Bildern im Kopf nachzugehen und nachzugeben – indem man sie visualisiert und sich somit auch befreit von der Kraft dieser Bilder. Oft denke ich, ich bin besessen, dem hinterher zu gehen, aber eigentlich ist da die Kraft der Poesie die einem die Fragen in unserer sichtbaren Welt vorgeben. Manchmal stellen sich mir die Fragen: Muss dieses Bild sein? Warum sehe ich anders? Was ist es, was mich begeistert? Die Antwort ist immer: Wenn die Kraft der Neugier - wie sieht es wohl aus? - größer ist, als das noch nicht ganz Ausgegorene, dann entsteht etwas... Also, ich denke es muss so eine Art Geburt geben und das vorherige "mit sich herumtragen", sehr weiblich eigentlich... das Bild ist einfach da und wenn es dann Kunst ist, fragt keiner mehr ob es nötig war, dieses Bild zu schaffen, es wirkt einfach.

 

Machst Du Unterschiede zwischen Auftragsmalerei und freien Arbeiten?

Klar, wenn man so will. Zum einen gibt es Auftragsarbeiten, zum anderen freie Arbeiten, bei denen ich der Chef bin, und bestimme, ob es sein muss, dieses oder jenes Bild. Schwierig ist es, wenn Auftragsarbeiten auf mich zukommen und die Auftraggeber wollen dann ein paar Bilder über ihren Lieblingshund haben oder so was, zu dem ich keine Beziehung habe. Ich brauche eine Verbindung zu den Dingen in der Außenwelt, die ich transformieren kann. Denn eigentlich ist Kunst ja die „Auswahl an Transformations-Material", welches ständig auf uns einrieselt und uns irgendwelche Ergebnisse abverlangt. Ich muss die Muße dafür haben dem nachzugehen. In den Auftragsarbeiten ist das nur möglich, wenn eine Art Thema besteht, in das ich mich einfinden kann.

 

Wie entsteht die inhaltliche / motivische Auswahl für Deine Bilder?

Da meine Bilder für mich so eine Art Tagebuch sind, weiß ich nie so genau, was ich in Zukunft so stark aufsauge dass es raus muss. Ich bin ein gegenständlich denkender Maler und für mich ist es immer wichtig gewesen, einen Bezug zu unserer sichtbaren Welt zu haben, vor allem zur direkten Umwelt, in der ich bin.

Allein schon die Wahl der Farben ist ein Klangerlebnis das ich nur empfinden kann und das nicht logisch mathematischer Konsequenz folgt.

Inhaltlich haben die Bilder immer mit meinem Leben zu tun, denn ich reflektiere nicht für andere sondern erstmal für mich, denn es gibt zuerst ja nur mich als Auftraggeber. Bei der Reihe „Swanlike“ zum Beispiel war der Ausgangspunkt die Oper Schwanensee in Frankfurt, in der Männer zu der romantischen Oper getanzt haben. Diese Art der Verwandlung, vom grauen Schwan zu einem makellosen weißen ist für mich schon als Kind faszinierend gewesen. Warum ist es bei uns Menschen so, dass es umgekehrt ist wie in der Natur, in der normalerweise die Männchen schöner sind. Bei den Schwänen, und auch bei Pferden oder Hunden besteht so eine Art Gleichberechtigung (Pferde und Hunde habe ich schon früher gemalt).

Damit musste ich etwas machen. Die Verwandlung ist doch immer aktuell, überall, nur wir vergessen das andauernd, weil wir festhalten wollen. Und dann sieht man die Schwäne auf dem Main, in eisiger Kälte, nachts, und alles dreht sich plötzlich um den Schwan... es ist wie ein Sog.

 

Vor ein paar Wochen sagte mir ein Künstlerkollege, dass im Koran steht, das Ende unserer Tage würde kommen, wenn es keinen Unterschied mehr zwischen den Geschlechtern gibt, also Männer werden zu Frauen und umgekehrt. Es würde das Prinzip des Göttlichen in Frage stellen. Nun ist es ja schon wirklich so dass im Extremfall Männer zu Frauen umoperiert werden und umgekehrt. Unsere Umwelt (zu viele Hormone überall...) ist an den nicht mehr so eindeutigen ausgeprägten Geschlechtern mit Schuld, sagt man. Aber ist das so schlimm? Eine Gesellschaft ist doch nur so hoch entwickelt, wie sie das Anderssein zulässt, denke ich. Wir leben schon lange in einer künstlichen Welt und das ist für mich immer das große Thema "die Künstlichkeit".

 

Gibt es ein inneres Konzept, eine Entwicklungslinie, der Du folgst / die sich entwickelt und wie sieht sie aus?

In den letzten Jahren arbeite ich stärker in Serien. Es gibt aber immer einen Bezug zu früheren Arbeiten, und als ich die Serie mit den "Seestücken" machte, erinnerte ich mich plötzlich wieder an ein Bild, das ich vor dem Studium gemalt habe, wo es eine gebende und eine nehmende Hand gab. Und dann kommt da die Erinnerung an die geschnitzten Hände von Dürer die bei meinen Großeltern über dem Sofa hingen. Die Holzhände hatten so schöne Furchen beim Anfühlen und ich wunderte mich, dass meine Großeltern immer die Hand wegzogen wenn ich sie fühlen wollte. Es war für mich als 3-5jähriger schon ein bleibendes Bild, das Alter und die Jugend... Um Aspekte zu beleuchten muss man sie von verschiedenen Seiten angehen und Variationen überdenken, und dann visualisieren.

 

 

Gibt es über das Einzelbild hinausgehende Handlungen wiederkehrender Figuren, die sich aufeinander beziehen?

Es ist die Handlung der Schöpfung an sich. Klingt sehr religiös, wichtig ist die spirituelle Erfahrung über die ich froh bin, sie kennen gelernt zu haben. Ohne sie erfüllt sich kein Kunstwerk mit Seele. Die Erfahrungen als Ministrant, so ganz nah zu sein bei dieser Magie der angeblichen Verwandlung der Hostie... (Auch aus einem Stück Leinwand, Farbe und Holz wird etwas anderes, als es zu sein scheint...)

 

Was bringt Dir Deine künstlerische Tätigkeit?

Inhaltlich, geistig, emotional?

Kunst ist für mich wie eine Art Lebensmittel, ohne sie wäre ich ärmer, auch wenn man das körperlich nicht so sehen kann.

 

 

Was sollen die Betrachter empfinden, welchen Umgang mit Deinen Werken wünschst Du Dir von den Betrachtern?

Der Betrachter sollte sich der Magie öffnen und das Empfinden für Formen und Farbklänge genießen. Der inhaltliche Bezug kann dabei als Einstieg gesehen werden oder aber auch nur die Farbkombination. Meine Werke sollten im besten Falle auch Gesprächsstoff sein, so z.B. wie die Reihe der "Lichttempel Bilder" bei der Tankstellen in einem nächtlichen Ambiente gezeigt werden, das so weit entfernt wirkt und doch so alltäglich.

 

 

 

Welche Techniken und Farben verwendest Du? Gibt es besondere Techniken, selbst erfundene Techniken?

Dann ist da noch die rein handwerkliche Herausforderung, die mich reizt. Es ist schon so, dass die Hand der verlängerte Kopf ist und das Gelingen viel Erfahrung und Geschick bedeutet. Die Idee und die Technik mit den Paraffinoberflächen haben sich in Rom entwickelt, wo es in jeder Kirche diese Wachsgebilde gibt (Berge von abgebrannten Kerzen). Diese transparente Haut, die drüber fließt und "heilen" soll ist schon stark. Der Mensch, finde ich, ist aus vielen dünnen Schichten aufgebaut und das ist das Großartigste, es funktioniert, wenn es nicht diese Störungen gibt. Alle Schichten werden meiner Meinung nach in der Kindheit entwickelt und darauf greifen wir im Verständnis über Kunst z.B. immer wieder zurück! Die Lasurtechnik von früher ist eigentlich immer meine Auffassung von Farbe gewesen. Ich experimentiere gerne, auch mit anderen transparenten Stoffen wie Heißkleber, Leim und Silikon, alles haut-bildende Schichten.

 

 

Sind die Bilder für Dich rein dekorativ und ästhetisch zu sehen oder gibt es bei manchen oder allen Bildern einen zweiten Gedanken hinter der sichtbaren Oberfläche? Welchen?

Meine Bilder sind ja Objekte mit denen man leben könnte und soll, daher ist es wichtig dass sie für den Betrachter stimmig sind, egal ob harmonisch oder nicht. Ein Bild ist so eine Art „neuer Mitbewohner“, es braucht Platz, um wirken zu können. Das Bild bildet so eine Art Fenster in andere Gedanken, Sichtweisen und Empfindungen. Ich vergleiche es gerne mit der Musik. Diese Schwingungen können auch so stark sein, dass man ein Gefühl bekommt, warum das Lied da ist. Ich finde ein gelungenes Bild ist „ein Fest für die Augen" (Eugene Delacroix), es ist die Erinnerung an das Empfundene. Die Bilder mit dem Wachsüberzug entziehen sich ja etwas dem Blick und es ist so, dass sie an Schärfe gewinnen, je weiter man entfernt steht, eine Art Erinnerung.

 

Was möchtest Du selbst zu Deinen Werken sagen?

Ich bin der Auffassung, dass die Bilder selbst sich entfalten sollen, das heißt, sie müssen auch ohne Gebrauchsanweisung funktionieren. Dann wären sie perfekt. Es muß nicht sofort alles klar sein, Kunst ist auch Unverständnis, sich etwas wagen, z.B. Grenzerfahrungen zu machen.

Vor allem neugierig zu sein ist das, was ich mir weiter wünsche, nicht müde werden im Fragen stellen... nur so ergibt sich ein Geheimnis, das den Betrachter nicht loslässt, und das sich intuitiv darauf verlässt, dass es Wirklichkeit ist, und dass es richtig ist, dieses Werturteil.

 

Wie siehst Du Deine künstlerische/gestalterische Zukunft? Gibt es Pläne?

Ich arbeite weiter an den Serien und wenn die Bilder nach "Geschwistern" rufen kriegen sie eben welche...

 

Johannes Kriesche im Juni 2004